Im Darm befinden sich Millionen von Bakterien, die notwendig für die Verdauung von Rohfaser sind. Dies bedeutet, dass das Immunsystem lernen muss, zwischen „guten“ Bakterien, die bei der Verdauung helfen, und potentiell gefährlichen Bakterien, die gelegentlich in den Darm gelangen, zu unterscheiden.
Daher besteht zwischen dem Immunsystem und der Darmflora ein Gleichgewicht. Trifft das Immunsystem auf Bakterien, sendet es normalerweise Signale für eine Erhöhung der Immunbereitschaft und das Hervorrufen einer Entzündungsreaktion, einer Inflammation, aus. Würde dieses bei jedem Kontakt des Immunsystems mit der Darmflora geschehen, so wäre ein chronischer Entzündungszustand nicht nur im Darm, sondern auch im restlichen Körper die Folge. Das Immunsystem lernt daher schon früh im Leben die guten Bakterien kennen, und es lernt mit anti-inflammatorischen, d. h. entzündungshemmenden Signalen zu reagieren, die eine „normale“ Immunreaktion bremsen und damit eine Inflammation im Darm und im restlichen Körper verhindern [1-3].
Einige Bakterien der Darmflora begünstigen anti-inflammatorische Reaktionen mehr als andere. Gewisse Bakterien sind daher besser für die Aufrechterhaltung eines ausbalancierten Immunsystems geeignet als andere. Die Immunbalance ist daher nicht nur gegenüber potentiell gefährlichen Bakterien empfindlich, sondern sie reagiert auch sensibel auf eine Verschiebung in der Darmflora. Ändert sich die Zusammensetzung der Bakterien, so kann das Immunsystem die Darmflora nicht länger wiedererkennen und ruft daher wie bei „normalen“ gefährlichen Bakterien einen Entzündungsprozess hervor [1, 4].
Eine Reihe von Erkrankungen, die durch chronische Entzündungen gekennzeichnet sind, wie das metabolische Syndrom und die Insulinresistenz (Entzündung des Fettgewebes), Kolitis (Darmentzündung) und Asthma (Entzündung der Atemwege), haben gemeinsam, dass die meisten Individuen, die an diesen Erkrankungen leiden, auch ein Ungleichgewicht in der Zusammensetzung ihrer Darmflora haben. Verschiedene Studien, viele von ihnen durchgeführt in der Abteilung für Experimentelle Tiermodelle unter Professor Axel Kornerup Hansen an der Universität Kopenhagen, haben auf dieses Ungleichgewicht als eine der Erkrankungsursachen hingewiesen. Viele dieser Studien legen zudem nahe, dass die Wiederherstellung einer ausgeglichenen Darmflora dazu beitragen kann, die Symptome zu lindern. Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass das Risiko für chronisch-entzündliche Erkrankungen gesenkt werden kann, wenn es gelingt, früh im Leben eine Darmflorazusammensetzung mit vielen „guten“ Bakterien zu sichern [5-8].
Nicht alle Bakterien können alle Arten von Faserstoffen abbauen, die meisten sind auf eine oder einige wenige Arten spezialisiert. Dieses kann man sich zunutze machen, um durch gezieltes Füttern bestimmte Bakterien zu vermehren. Stoffe, die gezielt das Wachstum der „guten“ Bakterien anregen, nennt man Präbiotika [9, 10].
Auf Grundlage dieses Wissens beschloss Brogaarden in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Experimentelle Tiermodelle an der Universität Kopenhagen die Möglichkeiten zu untersuchen, Fohlen bereits zu Beginn ihres Lebens zu einer günstigen Darmflora zu verhelfen und damit das Risiko für chronisch-entzündliche Erkrankungen wie EMS und Kolitis zu senken.
Aufbau der Studie:
Um dieses zu untersuchen, führten wir über drei Jahre hinweg drei Studien durch, die Antworten darauf geben sollten, wie 1) die Darmflora des Pferdes aussieht und welche Bakterien die „guten“ sind, 2) wann sich die Darmflora stabilisiert und 3) ob es möglich ist, durch die Verwendung eines gezielt zusammengesetzten Ergänzungsfutters für Stuten und Fohlen eine bessere Zusammensetzung der Darmflora zu erreichen.
Kartierung der Darmflora des Pferdes und die „guten Bakterien“
Für die erste Studie wurden Proben vom Darminhalt an verschiedenen Stellen des Darms entnommen sowie Blut- und Gewebeproben. Mit Hilfe von molekularen Untersuchungen und DNA-Analysen wurden die verschiedenen Bakterien identifiziert und quantifiziert, wodurch wir uns ein Bild davon machen konnten, welche und wie viele Bakterien in den verschiedenen Bereichen des Darmes angesiedelt sind. Ebenso untersuchten wir mit Hilfe von quantitativen PCR-Techniken die Intensität verschiedener Immunsignale.
Wir verglichen die Zusammensetzung der Bakterien in den unterschiedlichen Darmabschnitten mit den Signalen im Immunsystem, um herauszufinden, welche Bakterien zu „guten“, anti-inflammatorischen Signalen führten und welche Bakterien zu pro-inflammatorischen, d. h. entzündungsfördernden Signalen führten. Unsere Absicht war durch das Identifizieren von Bakterien, die „gute“ Immunsignale gaben, die Bakterien zu finden, die das Immunsystem stärken könnten.
Die Kartierung der Darmflora gab Aufschluss darüber, welche Bakterien im Pferdedarm angesiedelt sind, und wir konnten einen signifikanten Unterschied in der Darmflorazusammensetzung in den unterschiedlichen Darmabschnitten feststellen. Anschließend untersuchten wir den Zusammenhang zwischen Bakterienanzahl und Intensität der Immunsignale in der Darmwand beziehungsweise in den Lymphknoten des Darms, um herauszufinden, welche Bakterien mit einem hohen Niveau an anti-inflammatorischen und regulatorischen/anti-inflammatorischen Signalen in Verbindung gebracht werden können. Hier identifizierten wir den Bakterienstamm (lat. Phylum) Verruccomicrobia, bestehend aus der Familie (lat. Genus) Akkermansia, und 11 Mitglieder der Ordnung Clostridiales, die alle mit einem Anstieg an anti-inflammatorischen und regulatorischen Signalen in Zusammenhang standen.
Das Ergebnis der ersten Studie war daher, dass die Bakterien, die mit größter Wahrscheinlichkeit einen positiven Effekt auf das Immunsystem haben würden und daher die Bakterien waren, die unser Ergänzungsfutter vermehren sollte, Mitglieder von Verruccomicrobia und Clostridiales waren.
Ermittlung des Zeitfensters für die Etablierung der Darmflora
Studien haben gezeigt, dass es ein Zeitfenster von der Geburt bis zur Stabilisierung der Darmflora gibt, in dem das Immunsystem darauf eingestellt ist, die guten Bakterien kennenzulernen. Trifft das Immunsystem auf neue und unbekannte Bakterien, nachdem dieses Zeitfenster geschlossen ist, wird es höchstwahrscheinlich mit einem Entzündungsprozess reagieren, selbst wenn diese Bakterien normalerweise nützlich sind. Es ist daher wichtig, dass das Immunsystem in diesem Zeitfenster so viele nützliche Bakterien wie möglich kennenlernt. Die Darmflora, die gegen Ende dieser Phase etabliert wird, bildet den Rest des Lebens die Basis für die Darmflora des Tieres, und es ist daher wichtig, dass sie aus so vielen nützlichen Bakterien wie möglich besteht [11].
Wenn wir in diesem Zeitfenster das Wachstum der guten Bakterien mit unserem Ergänzungsfutter stimulieren könnten, würden wir nicht nur dazu beitragen, dass das Immunsystem weitere „gute“ Bakterien kennenlernt, sondern auch bewirken, dass die endgültige Darmflora ein höheres Niveau an diesen Bakterien aufweist.
Um herauszufinden, wann sich die Darmflora stabilisiert, nahmen wir Kotproben von Fohlen von der Geburt bis nach der Entwöhnung. Wir verglichen die Bakterienzusammensetzung der Proben über diesen Zeitraum, um herauszufinden, wann die Unterschiede aufgehoben waren. Wenn kein Unterschied mehr nachweisbar war, konnten wir davon ausgehen, dass sich die Darmflora stabilisiert hatte und das Zeitfenster damit geschlossen war.
Beeinflussung der Etablierung der Darmflora durch Fütterung
Auf Grundlage der Untersuchungen in Studie 1 setzten wir ein Ergänzungsfutter (Immulix®) zusammen, bestehend aus verschiedenen Präbiotika, die gezielt ausgewählt wurden, um die Bakterien zu vermehren, die wir als nützlich identifiziert hatten.
Unsere Hypothese war, dass wir die Anzahl der nützlichen Bakterien bei Fohlen erhöhen könnten, indem wir Stuten und Fohlen mit Immulix® fütterten, damit die Fohlen mit den guten Bakterien der Stuten kolonisiert wurden und auch selbst Immulix® fraßen.
Für den Versuch hatten wir zwei Gruppen von Stuten und ihren Fohlen, eine Testgruppe und eine Kontrollgruppe. Beide Gruppen wurden mit demselben Standardfutter für Stuten und Fohlen sowie Luzerne und Heu gefüttert. Darüber hinaus wurden die Stuten und Fohlen der Testgruppe mit Immulix® gefüttert. Während der gesamten Versuchsdauer hatten die Fohlen Zugang zum Futter der Stuten, und sie begannen selbst zu fressen, als sie wenige Wochen alt waren. Sowohl Stuten als auch Fohlen bekamen Immulix® bis 50 Tage nach dem Abfohlen, womit sichergestellt wurde, dass es in dem Zeitraum verabreicht wurde, in dem sich die Darmflora stabilisiert und sich das Gleichgewicht zwischen Darmbakterien und Immunsystem einstellt. Wöchentlich nahmen wir Kotproben von Stuten und Fohlen.
Wir fanden heraus, dass die Fohlen der Testgruppe 49 Tage nach der Geburt ein signifikant höheres Niveau an mehreren Bakterien hatten, die dem Bakterienstamm (lat. Phylum) Verruccomicrobia angehören und denen wir in Studie 1 positive Auswirkungen auf das Immunsystem nachweisen konnten. Auch mehrere andere Studien konnten diesen Bakterien einen nützlichen Effekt bei der Behandlung und Vorbeugung von chronisch-entzündlichen und metabolischen Erkrankungen zuschreiben [12-15]. Wie beabsichtigt vermehrte Immulix® die Anzahl „guter“ Bakterien beim Fohlen.
Wir waren auch daran interessiert, die Reaktionen im Immunsystem des Darms als Folge einer verbesserten Darmflora zu untersuchen, aber da es uns ohne chirurgischen Eingriff nicht möglich war, Proben der Darmschleimhaut und der Lymphknoten des Darms zu entnehmen, bestand diese Möglichkeit nicht. Stattdessen entschlossen wir uns, an einem Mausmodell das Darmsystem und die Darmflora des Pferdes zu untersuchen, und zwar auf dieselbe Weise, wie man auch Mausmodelle bei diversen menschlichen Erkrankungen anwendet, indem wir Darmflora von Fohlen, die Immulix® bekommen hatten, und Kontrollfohlen übertrugen. Sowohl der Darmtrakt als auch die Ernährung der Mäuse ähneln denen der Pferde, beide Arten haben einen großen und gut ausgebildeten Dickdarm.
Unsere Untersuchungen zeigten, dass das Niveau an anti-inflammatorischen und damit guten Signalen bei den Mäusen mit Darmflora der Testfohlen höher war als das bei den Mäusen mit Darmflora der Kontrollfohlen. Dies unterstützte unsere Hypothese, dass die nützlichen Bakterien, die wir in den Testfohlen fanden, einen positiven Effekt auf das Immunsystem haben würden.
Weil die Darmflora sich erst nach der Geburt mit den Bakterien, die das Fohlen durch die Milch, die Stute, die Umgebung und die anderen Pferde bekommt, etablieren muss, variiert die Zusammensetzung der Darmflora in der ersten Zeit stark. Einige Studien haben diese Schwankungen in der Darmflora mit manchen der gastrointestinalen Probleme in Zusammenhang gebracht, die man oft bei Fohlen sieht [16]. In den Untersuchungen der Darmflora bei Test- und Kontrollfohlen stellte sich heraus, dass die Darmflora der Fohlen, die Immulix® bekommen hatten, auf längere Sicht stabiler war. In einer Folgeuntersuchung stellten wir fest, dass 70 % der Fohlen, die Immulix® bekamen, innerhalb der ersten 8 Wochen nach der Geburt keine Durchfälle gehabt hatten.
Ergebnis
Wir konnten daher den Schluss ziehen, dass Immulix® die Anzahl der nützlichen Bakterien im Darm des Fohlens in dem Zeitraum erhöht, in dem sich die Darmflora etabliert, sowie die Darmflora in dieser Phase stabilisiert. Darüber hinaus kamen wir zu dem Ergebnis, dass eine verbesserte Darmflora mit einer Zunahme an anti-inflammatorischen und regulatorischen Immunsignalen einhergeht, die wiederum mit einem herabgesetzten Risiko für niedriggradige Entzündungen wie das metabolische Syndrom und die Kolitis in Zusammenhang gebracht werden.
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